Vom Eisenbahner zum Raumfahrer

Ich bin im Pfinztal in einem verschlafenen kleinen Dorf nahe Karlsruhe geboren und aufgewachsen. Meine Großeltern erlebten noch, wie dort erstmals Strom aus der Steckdose kam. Mein Vater war bei der Bahn und half anfangs, den Schwarzwald für die Eisenbahn zu erschließen. Ich ging zunächst auch zur Bahn und durfte später dagegen erleben - und teilweise mit gestalten - wie unser Planetenraum mit Hilfe von Raumsonden gekreuzt wurde: Helios, Voyager, Cassini-Huygens, Giotto, Rosetta, LDEF - um nur einige zu nennen.

Nach meiner Lehre als Facharbeiter für Maschinenbau holte ich die Mittlere Reife und das Abitur auf der Technischen Oberschule in Karlsruhe nach, hatte dann als Kernphysiker an der Universität Heidelberg Einblicke in den Mikrokosmos und promovierte in Astronomie mit Einblicken in den Makrokosmos. Mit meiner Doktorarbeit am Max-Planck-Institut gelang der erste Nachweis von Mikrometeoriten geringer Dichte anhand der deutsch-amerikanischen Sonnensonde Helios; Abbildung 1.

 

Helios

Abbildung 1: Integration der deutsch-amerikanischen Sonnensonde Helios in die Fairing der Titan-Centaur
Credit: NASA

 

Das Mikrometeoriten-Experiment auf der Sonnensonde Helios. Dabei wurde ich auch mit der Komplexität weltraumbasierter Systeme konfrontiert: Ein Mechanismus des von meinem Doktorvater Prof. Dr. Eberhard Grün verantworteten Instruments sollte die Öffnung des sogenannten Ekliptiksensors freigeben. Aber trotz langen Wartens kam keine Signal zur Bestätigung des Vorgangs bei der Bodenstation an. Man stand hilflos vor der Unsicherheit, ob der Deckel nun abgesprengt war und nur das Signal zur Bestätigung ausblieb, oder ob unser wunderbar funktionierendes Instrument wegen verschlossener Öffnung nutzlos geworden ist  - bis endlich das erlösende erste Teilchen registriert wurde! Mit meiner lieben Frau, die damals auch in Heidelberg studierte, waren wir wiederholt im Deutschen Raumfahrt-Kontrollzentrum in Oberpfaffenhofen, um live bei Periheldurchgängen der Raumsonde als Erste auf Daten zu blicken, die zuvor kein Mensch gesehen hat. Aufregung und Spannung ohne Ende! Als Kondensat meiner Arbeit entstand die sogenannte "Pailer-Grün - Formel", die eine zu erwartende Kratertiefe in Abhängikeit von sämtlichen physikalischen Größen von Projektil und Target beinhaltete.

Meine Zeit als wissenschaftlicher Assistent am Max-Planck-Institut für Kernphysik, Abteilung Kosmochemie, in Heidelberg wurde unterbrochen durch eine Einladung als Visiting Research Associate am McDonnell Space Center der Washington University in St. Louis, Missouri in den USA zur Entwicklung und dem Bau eines Weltraumexperiments auf der Long Duration Exposure Facility LDEF. Nach meiner Rückkehr ans MPI in Heidelberg wechselte ich 1983 in die Raumfahrt-Industrie. 

Post-doc am Max-Planck-Institut in Heidelberg

Nach meiner Promotion spielte die Vorbereitung für eine Kometenmission nach Giotto zu Halley eine herausragende Rolle. Nach diesem erfolgreichen „Blitzbesuch" bei Halley war der Bedarf eine Rendezvous- bzw. Kometenproben- Rückführmission CNSR - zunächst gemeinsam mit der NASA - gewachsen. Dazu baute ich Ende der 70er Jahre des letzten Jahrtausends eine Kometenstaub-Simulation zur chemischen und isotopischen Analyse von Kometenstaubteilchen auf. Sie bestand aus einer

  1. Targetreinigungskammer über Gasentladung
  2. SIMS-Spektrometer zur chemischen und isotopischen Analyse des Kometenstaubes (SIMS: Secondary Ion Mass Spectroscopy)
  3. Staubbeschleuniger zum Beschleunigen und Aufsammeln von Kometenstaub auf zuvor gereinigten und strukturierten Gold-Targets

Abbildung 2 zeigt die gesamte Simulationsanlage, die eine komplette Simulationskette unter Hochvakuum erlaubte. So fing Rosetta Ende der 70er Jahre an. Begleitet wurden diese Simulation durch gemeinsame Planung einer Kometenmission mit NASA in Person von Dr. Ernst Stuhlinger, einem ehemaligen V2-Raketenforscher aus Peenemünde.

Abbildung 3 zeigt ihn zusammen mit Dr. Wernher von Braun, dessen Navigator er oft genannt wurde. Im Vordergrund sehen wir noch Dr. Hermann Oberth, einer der Begründer der Raketentechnik und Raumfahrtvisionär. Leider hat die Challenger-Katastrophe das Ende der europäisch-amerikanischen Kooperation für diese Kometenmission (bis auf Beteiligung auf Instrument-Level) bedeutet. Es wurden büdgetäre Gründe genannt.

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Abbildung 2: Mein Aufbau einer Simulationsanlage am Max-Planck-Institut in Heidelberg zur Sammlung kometarer Staubteilchen und deren chemischer Untersuchung. So fing Rosetta Ende der 70er Jahre des letzten Jahrtausends an.
Credit: Norbert Pailer, Max-Planck-Institut für Kernphysik Heidelberg
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Abbildung 3: Links in der Mitte ist der V2-Forscher Dr. Ernst Stuhlinger zusammen mit Dr. Wernher von Braun und - im Vordergrund - mit Dr. Hermann Oberth zu sehen.
Credit: reddit.com
Erste SIMS-Analysen. Wegen der zu erreichenden hohen Sensitivität der chemischen Analysen, war die chemische Reinheit der Sammelfläche zusammen mit deren Hafteigenschaften für aufzusammelnden Kometenstaub entscheidend. Dazu wurde der in Abbildung 2 gezeigte Experimentaufbau entwickelt. Abbildung 4 zeigt die zentralen Komponenten mit mehr Detail:
  • links: Gasentladungskammer zur Targetreinigung
  • Mitte: SIMS-Spektrometer zur chemischen und isotopischen Analyse
  • rechts: Staubbeschleuniger, mit dem die zuvor gereinigten und vermessenen Targets mit ca. 300 m/s schnellem Staub beliebiger Chemie belegt wurden

 MaxPlank-Abb4

Abbildung 4: Zentrale Komponenten der Experimentieranlage in größerem Detail:

- links die Gasentladungskammer
- in der Mitte das SIMS-Analyse-Gerät
- rechts der Staubbeschleuniger 
Credit: Norbert Pailer, Max-Planck-Institut für Kernphysik Heidelberg

Nachfolgend werden alle drei Komponenten des Aufbaus kurz beschrieben, der den Vorteil hatte, sämtliche Schritte der Targetvorbehandlung, deren Untersuchung, die Staubbelegung und deren chemische  Analyse unter Hochvakuum durchzuführen und damit weitere Unsicherheiten in Bezug auf Kontamination auszuschließen.

Die Gasentladungskammer zur Targetreinigung. Die Versuchsreihe startete mit polierten, hochreinen Gold-Targets. Die Gasentladungskammer, siehe Abbildung 5 war zunächst mit einem Resevoir von Targets ausgestattet. Als erster Prozessschritt wurden die Targets nach dem Ausheizen in der SIMS-Anlage vermessen. Abbildungen 5a und 5b (jeweils oben) oben zeigen das Ergebnis: Die Target-Spektren waren für weitere Schritte viel zu komplex. Die zu reinigenden Targets gelangten über den Manipulator in einen Zylinder, in dem sie nur Goldoberflächen sahen. Zwischen dem geerdeten Zylinder und dem isoliert aufgenommenen zentralen Golddraht wurde eine Spannung von rund 600 V angelegt. Die zuvor ausgeheizte und evakuierte Kammer wurde nun im Bereich der Goldtargets mit Ar während der Gasentladung gespült. Nach dem Reinigungsvorgang erfolgte der Transport zurück in die SIMS-Analysekammer. Die Abbildungen 5a und 5b (jeweils unten) zeigen das Ergebnis der SIMS-Analysen: Der Reinigungsvorgang hat sich als erstaunlich effektiv erwiesen. Man sieht nur noch die beiden allgegenwärtigen Komponenten Na+ und K+ und einen Al+-Peak (siehe weiter unten). Erfreulicherweise war das nicht alles: Man sieht auch eine (nicht erwartete) Strukturierung der Oberfläche, die sich beim Aufsammeln von Kometenstaub als äußerst hilfreich erwies, indem sich Staubkörner in dieser Struktur verkeilen konnten und damit das Aufsammeln vereinfachten. Abbildung 5c zeigt zur Illustrierung ein Elektronen-Mikroskopbild aufgesammelter Staubkörner.
 
 MaxPlank-Abb5
 
Abbildung 5: Prinzipieller Aufbau der Gasentladungskammer zur Reinigung und Strukturierung der Target-Oberfläche
Credit: Norbert Pailer, Max-Planck-Institut für Kernphysik Heidelberg
 
 MaxPlank-Abb5a
 
Abbildung 5a: Elektronenmikroskopbilder der Target-Oberfläche: oben unbehandelt, unten durch Gasentladung behandelt
Credit: Norbert PailerMax-Planck-Institut für Kernphysik Heidelberg
 
 MaxPlank-Abb5b
 
Abbildung 5b: Das spektroskopische Analogon zu Abbildung 5a. Oben: Spektrum des unbehandelten Gold-Targets, unten die durch Gasentladung behandelte Version
Credit: Norbert Pailer, Max-Planck-Institut für Kernphysik Heidelberg
 
 
 MaxPlank-Abb5c
 
Abbildung 5c: Beispiel der Verbesserung der Sammeleigenschaften der Gold-Targets durch Strukturierung der Oberfläche als Nebenprodukt des Gasentladungs-Reinigungsprozesses
Credit: Norbert Pailer, Max-Planck-Institut für Kernphysik Heidelberg
 
 
Die SIMS-Analysekammer. Das Aufbauprinzip ist in Abbildung 6 mit allen Komponenten gezeigt. Das vorbehandelte Target ist in der Staubbeschleunigungskammer angekommen, der Beschleuniger zu Testzwecken mit Magnesium-Teilchen bestückt. Die ca. 300 m/s schnellen Teilchen wurden aufgesammelt, die erfolgreiche Belegung mit einem eingebauten Mikroskop bestätigt. Nun geht`s zurück in die SIMS-Analysekammer: Das Magnesiumteilchen ist chemisch eindeutig zu identifizieren: Man sieht - zusammen mit den allgegenwärtigen Komponenten - sogar deutlich seine drei Isotope in Abbildung 6a. In Abbildung 6b wird ein durch Gasentladung gereinigtes Target mit aufgesammelten Si-Teilchen gezeigt. Dessen Isotopie zusammen mit seinen Oxyden wird eindrucksvoll wiedergegeben. 
 
 MaxPlank-Abb6
 
Abbildung 6: Aufbauprinzip der SIMS-Analysekammer mit all ihren Komponenten
Credit: Norbert Pailer, Max-Planck-Institut für Kernphysik Heidelberg
 
 
MaxPlank-Abb6a 
Abbildung 6a: Ein auf einem gereinigten Gold-Target aufgesammeltes Mg-Teilchen (oben) und seine SIMS-Analyse (unten). Man erkennt deutlich das Mg-Teilchen zusammen mit seinen Isotopen
Credit: Norbert Pailer, Max-Planck-Institut für Kernphysik Heidelberg
 
 
 
MaxPlank-Abb6b 
Abbildung 6b: SIMS-Ergebnis eines aufgesammelten Si-Teilchen. Neben dessen Isotopie sind eindrucksvoll dessen Oxyde wiedergegeben
Credit: Norbert Pailer, Max-Planck-Institut für Kernphysik Heidelberg
 
Die Staubbeschleuniger-Kammer. Das Targetkarussel erlaubt die Aufnahme mehrerer vorbehandelter Targets. Gleichzeitig ist ein drehbarer Zylinder - wie in Abbildung 7 gezeigt - mit zu beschleunigenden Staubproben beschickt (Vielfachstaubquelle). Ein Wirbelstrombeschleuniger sorgt dafür, dass die mit Staub belegte Al-Scheibe beschleunigt wird und vor Erreichen des Targets an einer Prallplatte gestoppt wird, sodass nur der Staub das Target erreicht. Über ein eingebaute Vakuumfenster kann die tatsächliche Belegung des Gold-Targets mit Staub untersucht und fotografisch dokumentiert werden.

 
 
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Abbildung 7: Prinzip des Aufbaus der Staubbeschleuniger-Kammer mit all ihren Komponenten
Credit: Norbert Pailer, Max-Planck-Institut für Kernphysik Heidelberg
 
 
So fing das COSIMA-Instrument (COSIMA: Cometary Secondary Ion Mass Analyzer) und damit die Kometenstaubuntersuchung mit Rosetta Ende der 70er Jahre an. Der heutige Aufbau, der nun auf Rosetta seit mehr als 10 Jahren unterwegs ist, ist auf der COSIMA-Homepage des Max-Planck-Instituts für Sonnensystemforschung in Göttingen dokumentiert.
 
Nach meiner Rückkehr mit meiner kleinen Familie aus den USA zurück ans MPI in Heidelberg, wuchs der Wunsch nach mehr vertraglicher Sicherheit. Sie war in jenen Tagen am Institut leider nicht gegeben, da wieder einmal Stellenabbau betrieben wurde. Deshalb orientierte ich mich Richtung Industrie. Dort hatte ich bei Dornier System GmbH als "Programmleiter für Wissenschaftliche Weltraumerkundung" gleich eine erste Diplomarbeit zu betreuen: Ein junger Student aus Heidelberg machte an der Dornier-SIMS-Anlage im Bereich "Forschung" Untersuchungen von Kometenstaub. 

Die Rosetta-Kometenmission

Ein spannender Wissenschaftskrimi

Immer der NASA nach ...? Die NASA sieht die ESA gerne als Juniorpartner. Demgemäß ist das Motto der ESA: Immer der NASA nach. Dafür gibt es einige Beispiele. Rosetta ist eine rühmliche Ausnahme. ESA ist nach dem Wegbrechen des Partners (siehe oben) nicht eingeknickt und hat nur das Motto ein bisschen modifiziert: Anstelle von „wir holen eine Kometenkernprobe zurück in irdische Labors" gilt nun „wir fliegen ein Labor zum Kometen". Und das geschah am 12. November 2014. Hier wurde erstmals ein menschengemachtes Objekt auf einem Kometenkern abgesetzt, der bis vor wenigen Monaten nur ein kleines Lichtpünktlein war.
Als junger Industriephysiker - ich wechselte in der Zwischenzeit in die Industrie - hatte ich das Vergnügen, zunächst mit dem Halley-Encounter betraut zu sein. Ich vergesse nicht die Sitzung bei Manfred Kübler, Technischer Direktor bei Dornier System GmbH, der am Ende des wöchentlichen Meetings noch die Bitte vortrug, die der Schweizer Fernsehsender DRS an ihn gerichtet hat: Man plant eine Live-Sendung. Gesucht wird einer, der Dorniers Beitrag zu Giotto vertritt. - „Das muss aber ein fotogener sein“, sagte er mit seinem breiten schwäbisch. Seine dunklen Augen schauten über den Rand seiner Brille in seine Herrenrunde (Damen waren damals in der Raumfahrt noch seltener). Nachdem er nicht fündig wurde, deutete er auf mich: „Pailer, dann machen Sie das!“

Mein erster Fernsehauftritt im DRS. Mir wurde erst bewusst, worauf ich mich einließ, als mir während der spannenden Momente des Encounters mit einem Kauderwelsch aus englisch und schwytzerdütsch Mikrophone wie Dolche unter die Nase gehalten wurden: Alle wollten - von mir - Auskunft, weshalb der Datenstrom im spannendsten Moment abriss! - Ein größeres Staubteilchen hatte wohl an der Peripherie des von uns entwickelten Staubschutzschildes (Stichwort „Schusssichere Weste“) eingeschlagen und die spin-stabilisierte Sonde ins Wanken gebracht, sodass die Antennenkeule der Hochleistungsantenne ihre exakte Ausrichtung auf die Erde verlor und der Telemetrie-Datenstrom an der Erde vorbei ging. Glücklicherweise waren Nutationsdämpfer eingebaut, die schnell halfen, das Taumeln zu kompensieren und die Datenraten schwollen wieder von einem Datenrinnsal zu einem kontinuierlichen Datenstrom an. Aber spannend war das schon! Abbildung 8 zeigt eine Szene aus der Sendung.

Rosetta Kometenmission Abb4

Abbildung 8: „Die Nacht des Kometen“ - so der Titel der Fernsehsendung im Schweizer DRS zum Giotto-Encounter im März 1986
Credit: DRS1

Es gehörte schon damals dazu, als Programmleiter auch für gute Laune unter Wissenschaftlern und Journalisten zu sorgen, auch das war neben technischen Entwicklungsarbeiten abzudecken. So ließen wir uns etwas Entsprechendes für die größte Annäherung des Kometen Halley einfallen. Da in unseren Breiten der Himmel oft bedeckt ist, Komet Halley mit seiner 76-jährigen Wiederkehr „a once in a lifetime“ ist, boten wir mit Dr. Ulke, dem Geschäftsführer, einen Flug für Wissenschaftler und Journalisten über den Wolken mit einer Do 228 an. Die Firma Carl Zeiss konnten wir für die Bereitstellung feinster Ferngläser gewinnen und die Flugzeugfenster waren vor dem Start noch extra zu polieren. So hoben wir denn von Friedrichshafen fröhlich und zuversichtlich ab und flogen bis Italien. Es war bei aller Freude über dieses Ereignis nicht einfach, bei den instabilen Verhältnissen an Bord sicherzustellen, dass jeder den seltenen Blick auf dieses schwache Funzeln von Halley am Nachthimmel zuverlässig erhaschen konnte. Jedenfalls war das Presseecho am nächsten Tag entsprechend. In Abbildung 9 illustrierte mein Grafiker, Fred Rosenthal, humorvoll die Szene. Wir waren damals mit unter den Ersten, die bei astronomischen Ereignissen Flüge über die Wolken anboten, was heute für Interessierte zum Standard gehört.

 

 Dornier Rosetta

 Abbildung 9: Aller Augen an Bord der Do 228 waren während des Erkundungsflugs über den Wolken strikt gegen das schwache Funzeln des Kometen Halley gerichtet

 

Giotto war mit der ersten Abbildung eines Kometenkerns so erfolgreich, dass Europa gesteigerten Appetit auf Kometen bekam. Daraus wurde am Ende Rosetta. Nach den ersten Simulationen am Max-Planck-Institut in Heidelberg (siehe oben) hatte ich nun das Vergnügen, mit meinem Team die erste Studie für ein Landegerät bei Dornier durchzuführen. Wir waren technisch gut, aber finanziell nicht akzeptabel (eben der übliche Wahnsinn). Die Lander-Entwicklung wurde letztlich vom DLR und dem Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung in Katlenburg/Lindau übernommen, wobei wir - in diesem Fall Astrium GmbH - noch System Engineering Support beisteuerten.

Der Weltraummarathon von Rosetta beginnt. 2004 wurde Rosetta endlich auf den Weg gebracht, nachdem die Ariane 5 bei der vorlaufenden Startkampagne mit vier von Astrium gebauten Cluster-Satelliten über den Sümpfen von French Guyana wegen einer Fehlfunktion gesprengt werden musste (Unfallursache war ein in der Treibstoffleitung der Rakete vergessener Putzlappen; ich habe heute noch Cluster-Reste aus jenen Sümpfen, die ein Kollege gegen eines meiner Bücher mit mir getauscht hatte). Diese letzte - durch Ursachenforschung erzeugte - Verzögerung bedingte für die fertig gestellte Rosetta-Sonde noch das Anpassen an einen neuen Kometen, weil der zuerst vorgesehene Komet natürlich nicht auf uns wartete: Man wechselte nach länglichen Diskussionen um einen Start mit der russischen Proton-Rakete den Kometen von Wirtanen auf Tschurjumow-Gerassimenko und startete eben später. 

Noch lag der Weltraumbahnhof Kourou in French Guayna an jenem Morgen des 2. März 2004 in der ersten Dämmerung des Tages, als eine Rakete vom Typ Ariane 5 auf einem Feuerstrahl abgestützt um 8:17 Uhr in den bewölkten Himmel jagte. Nach einigen Vorbeiflügen zum Schwungholen für die Reise in die Tiefen des Alls - es war ein ausgewachsener Planetenbilliard - kam Rosetta im November 2007 nochmals zu einem letzten Farewell an der Erde vorbei. Ich war mit meinem Teleskop im Garten hinterm Haus auf der Suche nach einem kleinen bewegten Lichtpünktlen, dem ich nochmals „hinterherwinken“ wollte. Leider hat in unseren Breiten der bewölkte Himmel dies verhindert. Der Himmel war so ungnädig und hinterließ nicht einmal eine passende Wolkenlücke. 

Zwischen den Jahren 2008 und 2010 kam es zur Kreuzung des Asteroidengürtels. Dies war in den Anfängen der Raumfahrt wegen der höheren Anzahl an Objekten durchaus gefürchtet. Heute jedoch stimmt man Startzeitpunkt und Bahn extra auf ein Rendezvous mit dem einem oder anderen Asteroiden ab:

  • die relativ eintönige Reise durch das Dunkel des Raumes verlangt nach Abwechslung
  • die Instrumente an Bord können zu Kalibrationszwecken erstmals aktiviert werden
  • es kommt zur Erforschung von bislang unbekannten Objekten

Die Geschwindigkeit von Rosetta beträgt nun beachtliche rund 54 000 km/h. Nach dem Vorbeiflug am Asteroiden Steins näherte sich Rosetta dem Asteroiden Lutetia bis auf einen Abstand von rund 3 000 km. An der Oberfläche war ein 57 km großer Krater schnell zu erkennen, während ansonsten die Oberfläche mit großen Gesteinsbrocken gepfeffert ist. Abbildung 10 zeigt einen fotogenen Schnappschuss seiner Oberfläche an der Licht-Schattengrenze. Wegen seiner relativ hohen Dichte von 3,4 g/cm3 erwartete man ein metallreiches Objekt. Allerdings sah die Oberfläche dafür sehr untypisch dunkel aus. Deshalb wird Lutetia als metallreiches Objekten als Zwischenglied zwischen sogenannten „Rubble Piles“ (Kies/Schutthaufen), wie zum Beispiel der Asteroid Steins, und erdähnlichen Planeten angesehen. Nach diesen vorläufigen Höhepunkten ging`s ab in die Tiefe des Raumes.

Rosetta Kometenmission Abb5

Abbildung 10: Der Asteroid Lutetia an der Licht-Schattengrenze aufgenommen. Er gilt als Zwischenglied zwischen sogenannten Rubble Piles (Asteroiden als „Schutthaufen“) und erdähnlichen Planeten
Credit: ESA/ESOC/MPS

 

Die ESA brachte mehrere „Firsts" ein, indem Rosetta bis auf Jupiterhöhe erstmals mit Sonnenenergie geflogen ist (die NASA verwendet für solche Deep Space Missions immer sogenannte RTGs, also Radioisotopen-Generatoren zur Energieerzeugung). Für die ESA - und damit für Astrium als Hauptauftragnehmer - hieß der neue Vorstoß, sich auf einen „Winterschlafmodus" für die Sonde einzurichten. Etwas, was man eigentlich nicht tut:

  • Entwickle leistungsfähigere Solarzellen
  • Versetze die an sich 3achs-stabilisierte Sonde für die Zeit des „Winterschlafs" in eine rotations-stabilisierte Konfiguration
  • Verzichte auf jeglichen Kontakt während einer Periode von 957 Tagen wegen „Winterschlafs" der Sonde
  • Vertraue darauf, dass weder Hochgeschwindigkeits-Staubteilchen noch die kosmische Strahlung der Sonde in der Zwischenzeit etwas anhaben konnten
  • Vertraue darauf, dass sich Rosetta durch eine interne Uhr am 20. Januar 2014 selbst aufweckt und ein Signal zur Erde zur Wiederherstellung des Kontakts sendet

Im Oktober 2012 erreicht Rosetta ihren sonnenfernsten Punkt: 795 Millionen Kilometer trennen sie nun von den wärmenden Strahlen der Sonne. Die Energie der 64 m2 großen Solargeneratoren reicht nur noch, um das Vehikel einigermaßen warm und die Borduhr am Ticken zu halten.

20. Januar 2014: Nun war es so weit. Wissenschaftler und Journalisten rund um die Welt haben sich zum Wake-up - Event von Rosetta bei ESOC (European Space Operation Center) in Darmstadt getroffen. Nach einigen Plenar-Diskussionsrunden sollte nun die Zeit gekommen sein, dass irgendwo im Weltraum knapp 815 Millionen Kilometer von der Erde entfernt ein Wecker klingelt und das erste Signal der Sonde auslöst. Es sollte dann nach gut 45 Minuten von der Goldstone-Antenne in Kalifornien aufgefangen werden. Wir blickten eine gefühlte Ewigkeit lang auf eine grüne, gezackte Kurve auf den Bildschirmen, auf denen bisher nur Rauschen zu sehen war. 18:30 Uhr wurde das Signal erwartet. Nun ist es schon 19:00 Uhr. Die Nervosität steigt. Endlich entsteht auf dem Bildschirm der ersehnte Peak, der über das Rauschen hinausragte: Großer Jubel brach sich Bahn und nicht zuletzt das Astrium-Team atmete tief durch ... Abbildung 11 zeigt die Bildschirme mit dem allgegenwärtigen Rauschen, aus dem sich endlich der ersehnte Peak erhob.

Rosetta Kometenmission Abb6

Abbildung 11: Es dauerte eine gefühlte Ewigkeit lang, bis sich endlich aus dem allgegenwärtigen Rauschen des Signals der hier gezeigte Peak erhob: Rosetta spricht wieder mit uns! - Fernab der Erde in den Tiefen des dunklen Raumes wacht Rosetta auf, ohne Kaffee, weit weg von der wärmenden Sonne - aber mit guter Betreuung von uns Erdlingen.
Credit: ESA/ESOC

 

Ich war an jenem Ereignis von ESA eingeladen, um aus wissenschaftlicher Sicht etwas zur speziellen Natur von Kometen und Asteroiden zu sagen. Abbildung 12 zeigt diese Aktion: Ich bin eingerahmt vom ehemaligen ESA-Projektwissenschaftler Dr. Gerhard Schwehm und dem Asteroiden-Experten der ESA Dr. Gerhard Drolshagen.

 

Rosetta Kometenmission Abb7

Abbildung 12: Panel-Diskussion zu Kometen und Asteroiden während des Wake-up - Calls von Rosetta am 20. Januar 2014 bei ESA/ESOC zusammen mit dem ehemaligen Projektwissenschaftler Dr. Gerhard Schwehm und dem Near-Earth-Object - Experten Dr. Gerhard Drolshagen 
Credit: whotalking.com

 

Am 21. März 2014 zeigte sich "Tschuri" erstmals auf den Bildern der OSIRIS-Kamera an Bord von Rosetta. Die Aufnahme gleicht zunächst der eines Amateur-Astronomen, der den Kugelsternhaufen M 107 in der Konstellation Schlangenträger fotografierte. Aber den hatte man nun nicht im Blick. Das Interesse galt einzig und allein einem Pünktlein, das man ansonsten übersieht und das eigentlich nicht zu diesem Bildausschnitt gehört: Der Komet "Tschuri" hat nun sichtbar für OSIRIS die Bühne betreten. Es ist nach einer 10jährigen Reise durch den dunklen Weltraum etwas ganz Besonderes, endlich den Lichtpunkt zu sehen, für den man ein halbes Forscherleben investierte. Aber noch trennen rund 5 Millionen Kilometer Raumsonde und Komet und der Komet deckt im Bild nur den Bruchteil eines Pixels ab (Abbildung 13).

 Rosetta-Abb8 Komet

Abbildung 13: Das erste Bild von "Tschuri" am 21. März 2014 anhand der OSIRIS-Kamera an Bord von Rosetta: Noch trennen 5 Millionen Kilometer Rosetta und Komet. Gezeigt ist der Kugelsternhaufen M 107 und recht daneben der als Punkt erkennbare Komet im Zentrum des Kreises.
Credit: ESA 2014, MPS for OSIRIS-Team MPS, UPD, LAM, IAA, SSO, INTA, UPM, DASP, IDA

 

Bereits im April 2014 zeigte die OSIRIS-Kamera eine erkennbare Koma des Kometen, als man noch von "Tschuri" als einem inaktiven Körper dachte. Allerdings - oder glücklicherweise - hielt diese Pracht nicht lange an und Bilder vom Juni 2014 zeigten erneut ein "harmloses" Sternchen. Für die Landung von Philae ist es sicher einfacher, wenn "Tschuri" noch eher inaktiv ist. Offenbar ist der Komet zu früh aufgewacht - und gleich wieder eingeschlafen (offensichtlich sind aktive und passive Phasen für dieses Projekt typisch: Rosetta zwang man dies auf, der Komet tut dem gleich - und wie wir später sehen werden, macht Philae da keine Ausnahme).  

 

Ein Vortragsabend im Dornier-Museum diente zum Warmlaufen für das eigentliche Event der Landung im November, wenn auch Paolo Ferry als ESA-Missionsleiter das Wake-up - Ereignis im Januar als kritischer einstufte. Sämtliche Stühle im Museum wurden angeschleppt und reichten nicht, um die über 300 Zuhörer zu fassen. Abbildung 14 gibt einen Eindruck von der Atmosphäre im Flugzeug-Hanger, in dem die „Reise zu den Anfängen unseres Sonnensystems“ am 8. Oktober 2014 stattfand. Referenten waren Gunther Lautenschläger, Nachfolger von Dr. Rainer Best als Projektleiter, Prof. Bernd Feuerbacher, Vater des Rosetta-Landers und ich.

Rosetta Kometenmission

Abbildung 14: „Aufbruch zu den Anfängen unseres Sonnensystem“ im Dornier-Museum mit über 300 Zuhörern aus der Umgebung von Friedrichshafen am 8. Oktober 2014: Vorträge hielten Prof. Dr. Bernd Feuerbacher, Gunther Lautenschläger und Dr. Norbert Pailer.
Credit: Norbert Pailer

6. August 2014: Nach einer 6,4 Milliarden Kilometer langen Reise sollte an diesem Tag das erste von Menschenhand gemachte Objekt in eine gebundene Bahn um einen Kometenkern einschwenken und sich ihm auf 100 km annähern. Erfreulicherweise kam es nicht nur zur Begegnung mit dem Kometenkern, sondern auch zur Begegnung mit vielen alten Kollegen: Abbildung 11 zeigt die ehemalige Heidelberger Truppe, die sich nun vor dem 1:4 Modell von Rosetta aufstellte: (von rechts nach links) Dr. Norbert Pailer, Astrium, Dr. Gerhard Schwehm (ehemaliger Rosetta-Projektwissenschaftler), Prof. Dr. Eberhard Grün (mein ehemaliger Doktorvater und enthusiastischer Promoter von Rosetta), Dr. Manfred Warhaut (ehemaliger ESA-Flugbetriebsleiter), Prof. Dr. Hugo Fechtig (damaliger Institutsleiter des Max-Planck-Instituts und Vater von Rosetta), Dr. Jochen Kissel (ehemaliger Betreuer meiner Diplomarbeit und Principle Investigator bei allen bisherigen Kometenmissionen ("Mister Comet")). Im Laufe der Annäherung von Rosetta an den Kometen, wurde auch das bisher best aufgelöste Bild des Kometenkerns sichtbar, welches naturgemäß in vielerlei Hinsicht überraschte; siehe Abbildung 16:

  • Weder Kugel noch Kartoffel: Erstmals wird die zuvor bereits erkannte qietschentenähnliche Gestalt des Kerns in voller Schönheit sichtbar. Wir haben es mit einem komplexen Körper zu tun, der sicheres Landen nicht gerade erleichtert.
  • Oberfläche des Kometenkerns ist so dunkel wie frischer Asphalt
  • die Vielgestaltigkeit der Oberfläche lässt Konturen erkennen, die von zigarrenascheähnlicher Konsistenz über Katzenspreu bis hin zu steinhart gefrorenem Eis reicht 

Die Zeit bis zur Landung galt nun der geschickten Auswahl des bevorzugten Landeplatzes, der nicht nur wissenschaftlich interessant sein soll, sondern auch ein sicheres Landen ermöglicht. Das nächste Ereignis bei ESOC war die mit Spannung erwartete Landung des Landegeräts Philae auf dem Kern des Kometen Tschurjumow-Gerassimenko (Kurzform „Tschuri"). 

  Rosetta Kometenmission

Abbildung 15: Die ehemalige Truppe vom Max-Planck-Institut in Heidelberg vor dem Modell der RosettaSonde (von rechts nach links): Dr. Norbert Pailer, Dr. Gerhard Schwehm (ehemaliger Rosetta-Projektwissenschaftler), Prof. Dr. Eberhard Grün (mein Doktorvater und Rosetta-Promoter), Dr. Manfred Warhaut (ehemaliger ESA-Flugbetriebsleiter), Prof. Dr. Hugo Fechtig (ehemaliger Direktor des Max-Planck-Instituts für Kernphysik in Heidelberg und Vater von Rosetta), Dr. Jochen Kissel (Betreuer meiner Diplomarbeit und Principle Investigator für Staubinstrumente auf sämtlichen Kometenmissionen).
Credit: Norbert Pailer

 

 Rosetta Kometenmission

Abbildung 16: Das ist also des Kometen Kern: Der Kometenkern von Tschurjumow-Gerassimenko aus ca. 100 km Entfernung: Es war ein bewegender Moment, als Dr. Holger Sierks vom Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung in Göttingen, die ersten hochaufgelösten Bilder des Kometen aus ca. 100 km Entfernung den Kometenexperten als historisches Ereignis einführte. Noch vor kurzer Zeit war dieses Objekt ein einzelner, verwaschener Lichtfleck im dunklen Raum.
Credit: ESA/ESOC, winfuture.de

 

11./12. November 2014. Zehn Wochen nach meinem neuen Stand als „Jungsenior“ trete ich meine letzte Dienstreise an mit einem Vehikel, mit dem ich beruflich eigentlich nie unterwegs war: Mit dem Zug (die heftigste Dienstreise war wohl in Japan, wo ich beim Unterwegssein mit dem Mietwagen von Tokyo nach Kamakura nicht mal die Hinweisschilder lesen konnte; Navis gab`s damals noch nicht). Ziel war wieder mal jener ziemlich unverdächtiger Gebäudekomplex in einem Industriegebiet in Darmstadt in einer Straße, die nach dem Freigeist und Erfinder Robert Bosch benannt wurde. Heute werden dort hochfeine Dynamikrechnungen angestellt, alle europäischen Satelliten betreut, Roboterärmchen im Weltraum bewegt, Landebeine in der Nähe ferner Welten ausgefahren, Kometen gejagt, Planetenoberflächen angebohrt - um nur einiges zu nennen. Im Gegenzug liefern die Satelliten und Landegeräte feinste Daten, über denen Wissenschaftler brüten und die ständig unser Weltbild  verändern und verfeinern.

Auf einem der vielen, bunten Bildschirme bei ESOC dreht sich seit Wochen ein Objekt, dessen Form vergleichbar mit der einer Quietschente ist: "Tschuri", Zielkomet von Rosetta. Es ist nicht ganz überraschend, aber doch bemerkenswert, dass sich dieses Teil nicht nur unablässig dreht, sondern auch stinkt, was an seinem Kohlenstoff und an seinem Ammoniakgehalt liegen mag. Üblicherweise denkt man, so ein Weltraum sei eine geruchsneutrale Sache, aber das stimmt nicht. Der ESA-Astronaut Alexander Gerst hat sich vor Monaten von der Raumstation ISS aus über den Geruch des Weltraums ausgelassen. Und der muss es ja wissen, hat er es doch dort 165 Tage ausgehalten. Er twitterte: „Für mich riecht der Weltraum nach einer Mischung aus Walnuss und Bremsbelägen meines Motorrads.“ Da haben wir`s aus berufenem Munde. - Aber vielleicht sprach er auch vom Geruch im Innern der Raumstation?!

In diesen Tagen wird von ESOC aus etwas gesteuert, was bisher niemand tat: Erster Landungsversuch auf einem Kometenkern. So etwas hautnah mitzuerleben, Teil davon zu sein, das grenzt an eine seismographische Erschütterung eines Lebens, das sich über Jahrzehnte mit Kometen, ihren Stäuben und nicht zuletzt mit Rosetta beschäftigte.

Am 11. 11. kam ich früh genug an, um an der ersten GO/NOGO Decision teilzunehmen. Die letzte war für den frühen Morgen des 12.11. vorgesehen. Ich traf ESOC total mit Sendewagen zugeparkt vor. Alle hatten ihrerseits ihre Antennen wieder mit ihren Botschaften zum Himmel gerichtet, um über Satellit aktuelle Nachrichten zu verbreiten. Abbildung 17 gibt einen schwachen Eindruck wieder; leider konnte ich für die Aufnahme keine Vogelperspektive einnehmen.

Rosetta Kometenmission Abb. 11

Abbildung 17: Teil des vollständig zugeparkten Geländes beim European Space Operation Center ESOC mit Sendewagen, die ihrerseits ihre Botschaften wieder in den Weltraum absetzen
Credit: Norbert Pailer

Wir Airbusler (Kollegen von Airbus DS GmbH, wie wir in der Zwischenzeit heißen), waren bereits am ersten Meilenstein des Tages interessiert, nachdem auch die letzte GO/NOGO Decision positiv ausfiel (wohlwissend, dass das Kaltgassystem des Landegeräts nicht ansprechbar war): Es ging um perfektes Absetzen unseres Trittbrettfahrers Philae, den wir nun lange genug durch den Planetenraum schleppten. Er sollte dann auf einer Wurfparabel mit 1 m/sec aus 22 km Entfernung nach rund 7 h auf "Tschuri" aufsetzen. Alles klappte rosettamäßig. Abbildung 18 zeigt den dankbaren Applaus der Beteiligten. 

Rosetta Kometenmission Abb12

Abbildung 18: Blick in die Runde nach erfolreicher Abkopplung von Philae vom seinem Transportfahrzeug Rosetta; neben Dr. Gerhard Schwehm ist John Credland, ehemaliger Leiter der Wissenschaftsprojekte bei ESA zu sehen
Credit: ESA/ESOC

 

Der nächste Schritt war nun ein jeweiliges Farewell-Foto. Während Philae gegen die Sonne fotografieren musste, gelang von Rosetta aus ein nahezu perfektes Bild von einem Landegerät, bereit, um auf einer Kometenoberfläche zu landen: Philae hatte alle drei Landebeine ausgestreckt und ROMAP (Rosetta Lander Magnetometer and Plasma) Detektor war ausgeklappt. Abbildung 19 gibt die Szene wieder: Es ist fast wie Hollywood - nur eben besser!

Rosetta-Abb13

Abbildung 19: Mit vielen Aaaaaahhhhs und Oooooohhhs wurde dieses Bild wahrgenommen: Philae ist nach mehr als 10 Jahren Huckepack-Reise von Muttersonde Rosetta getrennt und streckt auf dem Weg zum Kometenkern alle Dreien von sich. Philae scheint bereit zu sein, dem Kometen direkt zu begegnen.
Credit: Norbert Pailer

 

Für Rosetta gab es jetzt noch einen entscheidenden Schritt: Da Rosetta auch als Relaisstation für die Funkstrecke zu Philae zu dienen hatte, musste diese erst etabliert werden - was wieder rosettamäßig gut gelang. Damit konnte einer erfolgreichen Landung (fast) nichts mehr im Wege stehen (der Wegfall des Kaltgassystems beim Lander wurde deshalb kleingeredet, als "Tschuri" eine größere Gravitationskraft als "Wirtanen" hatte und man dem Harpunensystem, bestehend aus zwei Harpunen, eine Kompensation zutraute. Allerdngs musste es auch alle Sicherheitsanforderungen von Arianspace erfüllen, zumal die Harpunen in der Fairing direkt auf die Treibstofftanks gerichtet waren ...). Und in Sachen Sicherheit gibt es keine Toleranz!

Auf dem Weg zum Kometen lieferte Philae mit der ROLIS-Kamera noch ein schönes Bild des Kometenkerns aus 3 km Entfernung, also kurz vor dem Ziel; es ist in Abbildung 20 zusehen.

Rosetta Kometenmission Abb14

Abbildung 20: Aufnahme des Kometenkerns aus 3 km Entfernung mit Hilfe der ROLIS-Kamera an Bord von Philae während des Abstiegs zur Oberfläche des Kometenkerns
Credit: ESA/ESOC/ROLIS

 

Nach langem Fiebern gab es endlich das Signal der Landung: Landebein hat Komet berührt; Impulsübertrag auf Landebein innerhalb der Spezifikation. Der Jubel kannte kaum Grenzen. Der Generaldirektor Prof. Jean-Jacques Dordain schluckte auffällig am Mikro und gab es dann - tief gerührt - frei für Prof. Jean-Pierre Bibring, den Lander-Wissenschaftler. Es geht einem schon unter die Haut, wenn ESA-Größen in aller Öffentlichkeit das Taschentuch brauchen ... Das hast du nicht alle Tage.

Danach blickte man längere Zeit auf etwas ratlose Gesichter im Kontrollraum, ohne zu wissen, was da gerade abgeht. Aber es lag Spannung in der Luft. Das war fühlbar. Es wurde gelandet, aber irgendwas stimmte nicht. Die Lage war so wenig klar, dass nach einem Verschieben des letzten Meetings des Tages mit der Bekanntgabe des ersten Panorama-Bildes man auf den nächsten Tag vertröstet wurde, zumal Rosetta unter den Horizont des Kometen zu fliegen kam und damit keine Daten-Verbindung mehr bestand. So wurden wir am Ende dieses aufregenden Tages ins Bett geschickt, nachdem - als Ersatz für Kometenbilder - wir uns noch selbst fotografierten; Abbildung 21 zeigt das Ergebnis einer zufriedenen, glücklichen Airbus-Crew.

Nun hat Rosetta eine ganze Reihe von Untersuchungen schon erfolgreich absolviert, das Landegerät wurde auf dem Kometen abgesetzt. Die ganze Konfiguration "Kometenkern -  Landergerät - Rosetta" bewegt sich nun auf die Sonne zu und wird im August 2015 den sonnennächsten Punkt erreichen. Es wird nun der Enkelgeneration der Missionsväter überlassen sein, die interessanten Daten mit ihren immer neuen Rätseln in Empfang zu nehmen, Schlüsse zu ziehen - und damit sicher unser Bild von Kometen entscheidend zu verändern. Mir war es ein Geschenk des Himmels, Teil von Rosetta zu sein und ich nahm die Gelegenheit wahr, mit 65+ aufzuhören - dort, wo es am schönsten war.

 

Rosetta Kometenmission Abb15

Abbildung 21: Das Airbus-Team unter sich kurz vor dem Knallen von Sektkorken; von links nach rechts: Dr. Rainer Best (Projektleiter), Tommy Strandberg, Dr. Michael Menking (Airbus Raumfahrtchef), Michael Jauvier, Gunter Lautenschläger (Nachfolger von Dr. Best), Pascal Regnier, Fred Tanner, Wolfgang Pitz, Dr. Norbert Pailer, Alois Aitner
Credit: Norbert Pailer

Tagsüber saß neben mir eine Dame; sie sprach von Direktorin eines europäischen Gen-Instituts. Gerade hat man Prof. Klim Churyumov, Ukrainer und Entdecker des Zielkkometen, ans Mikrophon gebeten (s. Abbildung 22), stupste sie mich und gab mir den Blick frei auf ihren Bildschirm. Dort konnte ich nur lesen: „Russen marschieren in die Ukraine ein“. Zeitgleich. - Wir Menschen scheinen schon eine komische Kohlenstoffverbindung zu sein! Das passte wie die Faust aufs Auge zu dem, was sich gerade vor unseren Augen abspielt und was ich über Dekaden in der Weltraumforschung erleben durfte: Sie ist nämlich nicht nur interessant, kulturfördernd, sondern eben in ihrer Natur auch völkerverbindend.

Rosetta Kometenmission Abb16

Abbildung 22: Prof. Klim Churyumov aus der Ukraine, Mitentdecker von Tschuri, bei seinem Interview im ESOC. Er ist leider kurz nach Ende der Rosetta-Mission gestorben.
Credit: Norbert Pailer

 Diese Erfahrung reicht zurück bis in meine Institutszeiten, in denen ich jährlich nach Houston, Texas, zur "Lunar & Planetary Science Conference" reiste. Ich durfte erleben, wie in Zeiten des Kalten Krieges die ersten Sowjets paarweise auftauchten. Kaum ein Wort englisch parat, aber eine Neugier auf die westliche Welt. Dann reiste ich nach Moskau. Verbrachte eine Konferenz auf einem Schiff von Prof. Avanesov, der mich dort auch zu einer unvergesslich schönen, privaten Feier für seinen Sohn einlud. Das völkerverbindende Element gipfelte für mich in einem Fax, das nach Öffnung der Grenzen mein Freund Avakyan aus St. Petersburg an mich richtete. Er forschte zuvor fürs Militär und musste nun in einen zivilen Job übergeführt werden. Ich setzte mich als Consultant bei EU für ihn ein. Sein Kommentar: „You saved my life through your engagement for me and my family.“

13. November 2014: Die erste und wichtigste Frage am Beginn des Tages war: Konnte Rosetta Kontakt mit Philae aufnehmen? Spricht man wieder miteinander? Tatsächlich sah man im Laufe des Tages  erste Bilder, die zeigten, dass der Lander - möglicherweise an einem Kraterrand - vertikal in einem verschneiten Felsgebilde verklemmt ist. Möglicherweise kann Rosetta bei einer kleineren Annäherung mehr Licht ins Dunkel der augenblicklichen Situation bringen. Ich dachte gar an die Idee, ob Rosetta nicht gegen Missionsende in der Nähe von Philae auf dem Kometen landen könnte, bevor beide als Teil des Kometenstaubschweifs wieder vereint werden. - Habe mich richtig gefreut, irgendwo zu lesen, dass diese Option tatsächlich diskutiert wird.

Das größte Eis am Stück? Zu zentralen Zielen der Rosetta-Mission gehört die Aufgabe, mehr Licht ins Dunkel der Frage zu bringen, woher z. B. das viele Wasser auf unserem Planeten kommen könnte. So war auch das Motto dieses "Kometenjahres" der ESA: Comets water life! Sicher, es gibt Kristallwasser in vielen Mineralien, die auf Ausgasprodukte der Erde hinweisen. Zusätzlich waren Kometen als das größte Eis am Stück schon immer verdächtig. Nun haben Besuche von Giotto bei Halley, von Stardust bei Wild 2 und nun von Rosetta bei "Tschuri" Kometenkerne und deren Farbe als das schwärzeste Schwarz -  schwärzer als frischer Asphalt - wahrgenommen. Gut, was man vom Kometenkern sieht, ist zunächst die Kruste, es sei denn, dass die "Tomographie des Kometenkerns" per Radiowellen bei Rosetta mehr Auskunft über den inneren Aufbau geben kann. Es erscheint schwer, sich ein steinigeres, mehr ramponiertes und weniger Schneeball-ähnliches Objekt vorzustellen als "Tschuri". Das macht die Frage nach der Herkunft des Wassers auf unserem Planeten spannend bis schwierig, jedenfalls offener denn je. Bemerkenswerterweise haben erste Ergebnisse von Rosetta ein ungewöhnlich großes Verhältnis von Deuterium zu Wasserstoff D/H ermittelt. Da es rund Faktor 3 höher ist als das in irdischem Wasser, sind wohl Kometen (vom Typ "Tschuri") die am wenigsten verdächtigen Objekte ...  

Wie in Abbildung 23 gezeigt, würde der Größenvergleich eines Einschlags vom Format des "Tschuri" über Los Angelos aussehen. Experten sagen, dass rund 10 Millionen solcher Kometeneinschläge erforderlich wären, die nach der Abkühlung unseres Planeten Wasser auf denselben gebracht haben sollen. Und das mit typischweise einigen km/s. Das müssen äußerst turbulente Zeiten gewesen sein! Zusätzlich zu Wasser könnten auch organische Komponenten unseren Planeten bereichert haben, wobei "organisch" im chemischen Sinn nicht "biologisch" bedeutet. Solche Stoffe kommen auch im tiefen Weltraum nicht selten vor.

Rosetta-Abb19

Abbildung 23: So würde sich der Einschlag eines Kometen vom Format "Tschuri" über der kalifornischen Stadt Los Angelos darstellen. 10 Millionen Einschläge von dieser Sorte wären nach Expertenmeinung ungefähr nötig, um die Becken der Ozeane auf unserem Planeten mit Wasser zu füllen - welch unruhige Zeiten!
Credit: Matt Wang, Flickr:anosmicovni, European Space Agency

Die Erfüllung eines Traumes

Ein großer Wunsch wird erfüllt: Nachdem ein gut Teil meines Forscherlebens sich mit Kometen - insbesondere dem "Tschuri" - beschäftigt hat, ich die beiden Entdecker kenne und "mein" Geraffel um den Kometen fliegt, trug ich immer den Wunsch mit mir, diesen Kometen - falls möglich - von meinem Garten aus mit meinem einfachen, weitgehend selbst gebasteltem Equipment - zu fotografieren. Längst hat sich der Komet von seinem Periheldurchgang (sonnennächster Punkt im August) verabschiedet und sollte nun in relativ günstiger Position am Himmel zu beobachten sein. Aber gleichzeitig wird er dunkler - weil weniger aktiv. Ein guter Kompromiss sollte um die Monatsmitte des November 2015 sein.

Da der Himmel im allgemeinen keine Hinweisschilder hat, benutzte ich mein Teleobjektiv als Sternsucher (wer schon einmal versucht hat, einzelne Sterne durch den Sucher einer Spiegelreflexkamera zu orientieren, der schätzt ein starkes Nervenkostüm). Denn leider war der Komet fernab markanter Objekte als Orientierungspunkte. Gut, da war vor meiner Gartensäule des Teleskops zunächst noch die große Birke des Nachbarn im Wege. Aber es sollte "nur" eine Frage der Zeit sein, dass Tschuri auch dahinter vorkommt und eben die aufgehende Sonne den Horizont noch nicht zu sehr aufhellte.

So war ich auf Star Hopping angewiesen. Und das bedurfte einiger Iterationen, sprich Nächte (mein Equipment erlaubt nicht, einfach die aktuellen Koordinaten der Kometenposition einzugeben und das Knöpfchen zu drücken). Jeweils gegen 2:30 ging`s aus dem (warmen) Bett in den Garten, nachdem ein Blick aus dem Dachflächenfenster zeigte, dass es der Himmel mit dem Nebel gnädig meint, der Mond war längst untergegangen, sodass sein Licht nicht störte und es war so gut wie windstill. Ich war am frühen Morgen eines jungen Novembertages noch nicht mit Einrichten - in diesem Fall dem Fokussieren - fertig, da kratzte plötzlich eine helle Sternschnuppe den dunklen Sternhimmel an, wahrscheinlich ein verspäteter Taurid (ein Staubteilchen vom Kometen Encke), der mir anscheinend einen relevanten Hinweis auf das relevante Suchgebiet des Kometen Tschuri geben wollte. Geistesgegenwärtig belichtete ich diese Szene. Abbildung A zeigt diesen Schnappschuss. Dann folgte ich - wie die Weisen aus dem Morgenland - diesem "Zeichen des Himmels". Aber auf den Bildern der ersten Serie war leider kein Komet zu sehen. Ich hatte das verdächtige Gebiet getroffen, aber die Belichtung war wohl zu kurz und der Himmelsausschnitt zu groß, um das schwache Funzeln des Kometen zu sehen. Und dann kam der Nebel hoch. Das war zwar nach dem aufwändigen Einrichten ärgerlich, konnte aber am Ende nicht entmutigen.

 

 1 NGC3628 TauritenSternschnuppe

Abbildung A: Ausschnitt des Sternhimmels unterhalb des Sternbilds "Löwen". Die schöne Galaxiengruppe zeigt im Uhrzeigersinn oberhalb der Bildmitte NGC3628 / M65 / M66 plus einem verspäteten Tauriden als Sternschnuppe, welche die relevante Gegend von "Tschuri" wie ein Hinweisschild andeutete.
Credit: Norbert Pailer

Der 16. November 2015 passte von den Sichtverhältnissen, dem Mondlicht - und auch die Temperatur war angenehm (wir hatte ja immerhin den wärmsten November seit den Wetteraufzeichungen). Aber bis bei meinem sebstgestrickten Geraffel alles sitzt und ausgerichtet ist, dauert das seine Zeit. Schon kam im Osten der Jupiter über den Horizont, gefolgt von Mars und Venus und unterhalb die schmale Mondsichel des abnehmenden Mondes mit seinem letzten Licht - eine wunderschöne Lichtparade! Und bei mir am Teleskop lief endlich die erste Messserie. Immer wieder wirst du bei der Wahl des Himmelausschnitts von der Frage geplagt: Hast du auch den richtigen Bereich getroffen, vor allem, wenn mit höherer Vergrößerung gearbeitet wird und die Bildserie ansteht? Am Bildschirm vor Ort lässt sich das nicht endgültig entscheiden. Da muss erst eine Bildauswertung her.

Die Kampagne wurde abgeschlossen, nachdem sich im Osten der Horizont schon ein bisschen aufhellte und die Strahlkraft der Milchstraße über mir nachließ. Das war gegen 5:30 Uhr. Nein, ich konnte noch nicht ins Bett, sondern musste die Bilder am großen Bildschirm unseres iMac einem ersten Test unterziehen. Die Sachlage war nicht ganz klar. Das Rauschen war dominant und Fragen kamen auf: Ist ein Objekt mit einer visuellen Helligkeit von < 14. Magnitude für meine Gerätschaft nicht zu leuchtschwach? Ist es überhaupt möglich, mit einem selbstgebauten Teleskop so vermessen zu sein, um ein < 5 Kilometer großes / kleines Objekt in rund 280 Millionen Kilometer Entfernung von der Erde abzubilden? War seine Aktivität schon zu weit zurückgegangen? Ich habe Bekannte (Jean-Francois Pittet und Robert Purvinskis) eingeschaltet, um deren Meinung zu hören, zumal ich dem "Untergrundrauschen" der Bilder nicht zu viel Bedeutung beimessen wollte. Gleichzeitig sah ich mich nach all dem Aufwand dem Zwang meiner Phantasie ausgesetzt, etwas Kometenhaftes sehen zu müssen. Tatsächlich erwies es sich als vorschnell, bei der Betrachtung eines einzelnen Bildes einen richtigen Schluss ziehen zu können.

Auswertung: Eine Sternenkarte ließ uns das Gebiet zuverlässig eingrenzen. Tatsächlich zeigte sich an relevanter Stelle (Leuchtspur der Sternschnuppe) eine winzige Aufhellung im elektronischen Rauschen; siehe Abbildung B. Das einzig Verdächtige auf der ganzen Serie von Aufnahmen! Zwei Vorgehensweisen konnten nun mehr "Licht" in die Verhältnisse bringen:

1. Vergleiche zwei Aufnahmen, die im zeitlichen Abstand von rund einer Stunde aufgenommen wurden

- zeigt die verdächtige Aufhellung eine Bewegung?

 - geht sie in die richtige Richtung?

==> Abbildung C1 zeigt den Ausschnitt am Himmel ohne Komet (alte Aufnahme)

==> Abbildung C2 ist das Ergebnis der Überlagerung zweier Bilder im Abstand von fast einer Stunde

  

2 NGC3628 TauritenSternschnuppe

Abbildung B: Zu sehen ist wieder die Galaxiengruppe am oberen und die besagte Aufhellung des elektronischen Rauschens am unteren Rand des Himmelsausschnitts, diesmal mit etwas höherer Vergrößerung
Credit: Norbert Pailer

 

 4 NGC3628 TauritenSternschnuppe

Abbildung C1: Ausschnitt aus der der Sternkarte (ohne Komet): Verdächtiges Gebiet zeigt keinerlei Auffälligkeit in Form einer möglichen Aufhellung
Credit: Norbert Pailer

 

 3 NGC3628 TauritenSternschnuppe

Abbildung C2: Überlagerung zweier Aufnahmen in einem zeitlichen Abstand von fast einer Stunde: Die "Aufhellung" bewegt sich - und zwar in die richtige Richtung
Credit: Norbert Pailer

 

2. Addiere Bilder der Serie, um das Signal- / Rauschverhältnis zu verbessern

- das elektronische Rauschen wirkt zwar einigermaßen störend, verhinderte aber nicht die Abbildung einer kometenhaften Erscheinung

==> Abbildung C3 zeigt das Objekt der Begierde durch Überlagerung von fünf Aufnahmen mit je 80 s Belichtung gegen 5:30 Uhr. Ein gut Teil meines Forscherlebens hat sich um diese paar leicht aufgehellten Pixel gedreht! Und das besagte Landegerät Philae mag aufgrund der Kometenaktivität während des Periheldurchgangs (es werden immerhin knapp 10 m pro Umlauf von der Kometenoberfläche abgetragen) schon Teil des angedeuteten Kometenschweifes geworden sein - falls es sich nicht doch noch um die Jahreswende meldet ...

Leider war ich diesmal zu nachlässig, um Korrekturaufnahmen (Flats, Darks etc.) zu machen, die das Bild schöner, aber nicht unbedingt eindeutiger gemacht hätten.

 

 

 5 NGC3628 TauritenSternschnuppe

Abbildung C3: Durch Überlagerung von fünf Aufnahmen von jeweils 80 sec zeigt sich das Objekt der Begierde: Um diese paar leicht aufgehellten Pixel hat sich ein gut Teil meines Forscherlebens gedreht und das Landegerät Philae mag aufgrund der Kometenaktivität während des Periheldurchgangs bereits Teil des angedeuteten Staubschweifs geworden sein - falls es sich nicht doch noch mal um die Jahreswende 2015/16 meldet?!
Credit: Norbert Pailer

Die LDEF-Mission

Mein Sabbatjahr in den USA

Kurz vor Weihnachten des Jahres 1982 erhielt ich die Einladung, zur Entwicklung eines Instruments zur Untersuchung von interplanetaren Staubteilchen für die Dauer eines Jahres in die USA zu kommen. Wir waren gerade Familie geworden und der Aufbruch galt natürlich allen drei. Nach rund einer Dekade in Heidelberg Studien- und Assistentenzeit war dieser Aufbruch nicht unerwartet. Auch wenn man Heidelberg nicht gerne verlässt, waren wir alle in freudiger Erwartung, längere Zeit in einer anderen Kultur zu leben und zu arbeiten. Prof. Dr. Walker, Direktor des Space Centers, und Prof. Dr. Ernst Zinner, Experte für SIMS-Analysen, zeigten sich erfreut über die zusätzliche Unterstützung aus Old Germany. Mir fielen folgende Aufgaben zu:

  • Entwicklung und Bau einer Produktionszeile für die Herstellung von 250 identischen LDEF-Einschlagsdetektoren (LDEF: Long Duration Exposure Facility)
  • Überwachung des Vibrationstests der ersten Flugeinheit bei der NASA in Houston, Texas
  • Fertigung und Integration eines thermal-kontrollierten Folientests an Bord des Space Shuttle; Start 11. November 1982.
    Es galt die beim letzten Shuttle-Flug beobachtete Erosion von Folien und deren Bedampfung zu untersuchen.
  • Kalibrierungsmessungen: Detektor-Protypen, die am Beschleuniger der TU München, Prof. Igenbergs, mit Hochgeschwindigkeitsprojektilen beschossen wurden, konnten zunächst an der TU Wien, Prof. Grasserbauer, und dann auch an der Washington University, Prof. Walker, analysiert werden

Ich erinnere mich noch lebhaft an den ersten Flug des Space Shuttle. Wir waren gerade mit der Kometenstaubgruppe des MPI auf Klausur auf dem Schloss Ringberg in Bayern, als das Shuttle erstmals abhob. Damals hatte ich die Gelegenheit, neueste Ergebnisse meiner Doktorarbeit "Nachweis von Komternstaubteilchen geringer Dichte" mit dem ehemaligen Direktor des Space Research Institute of the USSR Academs of Science, Prof. Roald Sagdeev, zu diskutieren. Er war einer der Wissenschaftsberater von Mikhail Gorbachev (und falls ich mich richtig erinnere, war er mit der Enkelin von Dwight D. Eisenhower verheiratet). - Und nun sollte ich Gelegenheit haben, mit all diesen positiven Erfahrungen mit dieser wunderschönen Flugmaschine Space Shuttle zu arbeiten.

Testflug. Der atomare Sauerstoff und die durch ihn ausgelöste Erosion machte es erforderlich, dass wir als vorlaufende Entwicklungsarbeit zunächst Folien und deren Bedampfung auf ihre Beständigkeit gegenüber atomarem Sauerstoff im Weltraum zu untersuchten. In enger Kooperation mit der NASA in Houston bekamen wir eine Mitfluggelegenheit bereits auf dem 5. Shuttle-Flug im November 1982.

Es mag noch ein interessantes Detail sein, dass Dr. Fred Hörz von Houston (er trainierte z. B. die Apollo 14 - Astronauten im Nördlinger Ries und im Meteoritenkrater (Barringer-Krater) in Arizona) genau in der Zeit ans MPI in Heidelberg kam, als wir nach USA gingen. Deshalb bot es sich an, dass er mit seiner Familie unsere Institutswohnung in der Forstquelle in Heidelberg in dieser Zeit übernahm. 

Für den Testflug konnten wir ein paar wenige noch freigehaltene Flächen belegen. Es waren auf einen Al-Träger aufgebrachte Testfolien, die mit unterschiedlich dicken Bedampfungen versehen waren. Abbildung 20 zeigt oben einen Al-Träger, der mit einer Blende teilweise kaschiert war. Darunter ist ein mit einer Folie belegter Träger, der im Bereich der Bohrungen zuvor eingebrachte mikro-Meter große Öffnungen enthielt, nach dem Flug zu sehen. Abbildung 21 zeigt den gesamten Aufbau bereits auf einem Experimentträger integriert.

Im Gegensatz zu mir, waren diese Teile im Weltraum, weshalb ich sie wie einen kleinen Schatz hüte.

 20 AlTraeger

 Abbildung 20: Einer der bei der Untersuchung von atomarem Sauerstoff benutzten Al-Träger;
             - oben ohne Testfolie
             - unten mit präparierter Testfolie
Credit: Norbert Pailer

 

 20 Experimenttraeger

 Abbildung 21: Auf dem Experimentträger des Space Shuttle integrierte Proben (jeweils am oberen Rand).
Diese Teile waren - im Gegensatz zu mir - im Weltraum, weshalb ich sie wie einen kleinen Schatz hüte.

Credit: NASA

 

22 RueckgefuehrteProben

 Abbildung 22: Rückgeführte Proben zeigten in der Tat gewisse Wechselwirkung im Umfeld zuvor eingebrachter Löcher in Form von Spinnenwebenmustern
Credit: Norbert Pailer, McDonnell Space Center, St. Louis

 

Abbildung 23 zeigt das Space Shuttle auf seinem Weg zum Launch Pad. Nach der Rückkehr des Shuttle hatte ich die Gelegenheit, nach langjährigen Kratestudien am MPI in Heidelberg, die Hitzekacheln des Shuttle direkt in Augenschein zu nehmen.

Space Shuttle auf dem Launch Pad

Abbildung 23: Das Space Shuttle im Morgennebel auf dem Weg zum Launch Pad

Credit: NASA

Enttäuschend war zunächst, dass die elegante Flugmaschine nun aus direkter Nähe nach dem Flug aussah wie ein schlecht gekacheltes Badezimmer: Krater und Schmauchspuren, die von der enormen Belastung des Hitzeschutzschildes zeugten. Die Begeisterung für dieses Fluggerät war jedoch so groß, dass ich mich für die Astronautenausbildung interessierte. Ich wäre sicher in der Position der Bewerberschlange noch die eine oder andere Stelle vorgerückt, hätte nicht die Explosion der „Challenger" dem ganzen Prozess ein jähes Ende gesetzt. Und als der Ausbildungsbetrieb Jahre danach wieder aufgenommen wurde, war ich zu alt.

Entwicklung und Bau der Detektoren: Ziel des Experiments war, die beim Einschlag von Mikrometeoriten auf hochreinen Ge-Targets erzeugten Ejektas auf der darüber liegenden Unterseite einer metallisierten Folie mit Hilfe der SIMS-Technologie zu untersuchen. Abbildung 24 zeigt das Ergebnis einer Simulation an der Technischen Universität München.

 24 Simulation

Abbildung 24: Als Ergebnis einer Simulation zeigt dieses Bild die Ejektas eines Einschlagsvorgangs auf der Unterseite einer metallisierten Folie

Credit: Norbert Pailer, McDonnell Space Center, St. Louis

 

Nach erfolgreichem Abschluss aller Voruntersuchungen inklusive technischer Vorentwicklungen, war nun der Bau der Detektoren und deren Test zu stemmen. Die Folien mussten gezielt auf einen Rahmen aufgespannt und verklebt werden, sodass eine zuverlässige Metallisierung möglich war. Erfolgreich prozessierte Folienrahmen wurden dann über den Ge-Targets moniert und für einen Schütteltest in Houston vorbereitet, was die Abbildungen 25 bis 27 zeigen.

 25 Metallisierung

26 Metallisierung

27 Metallisierung

Abbildung 25 - 27: Gleichmäßig vorgespannte Folien werden zur Vorbereitung der Metallisierung auf Al-Rahmen aufgebracht, bevor sie - über den Ge-Targets integriert werden konnten

Credit: McDonnell Space Center, St. Louis (alle drei Bilder)

 

LDEF-Start am 6. April 1984: Nach einem glänzenden Start des Space Shuttle, "Challenger" kam es bald darauf zur Öffnung der Nutzlast-Shuttle-Bucht und LDEF (Long Duration Exposure Facility) wurde der freien Weltraumumgebung ausgesetzt.

Abbildung 28 zeigt die letzten Momente vor dem Beginn des Freiflugs; noch sind wir am Haken des Space Shuttle Manipulators.

LDEF-Rückführung im Januar 1990: Verzögerungen sind im explorativen Weltraumerkundungsgeschäft nicht auszuschließen. In diesem Fall traf auch LDEF dieses Schicksal. Letztlich wurde es nach fast 6 Jahren Weltraumaufenthalt gerade noch möglich, LDEF sicher zur Erde zurückzubringen. Kurz darauf wäre das Ende „automatisch" durch den Wiedereintritt in die Atmosphäre besiegelt worden.

Abbildung 29 zeigt Szenen der Rückführung mit Hilfe des Space Shuttle "Colombia" (beide Shuttle sind leider in einer jeweiligen Katastrophe verloren gegangen, "Challenger" beim Start am 28. Januar 1986 wegen zu kalter Temperaturen und "Colombia" beim Wiedereintritt am 1. Februar 20013 durch beim Start beschädigte Hitzekacheln).

Kleine Hommage an Prof. Dr. Ernst Zinner: Ich hatte das Vergnügen, über lange Jahre mit Ernst zusammen zu arbeiten, der mit seiner Ion Probe erstmals Spuren von extra-solarem Material in einem Meteoriten nachwies: "Fossils older than the Sun". Er hat auch das internationale Team von LDEF koordiniert. Ernst war zudem ein guter Pianist und wurde "Wladimir Horowitz of the Ion Probe" genannt. Nun ist er im August 2015 - am Tag seiner letzten Veröffentlichung - gestorben. 

Es wäre ein schönes i-Tüpfelchen geworden, wäre der von ROSAT abgeleitete ROBUS (Retrieval Orbiting Bus), den ich mit meinem Team bei Dornier GmbH von der ersten Idee als Teleskop-Träger bis zum Phase C/D-Angebot getrieben habe, mit dem Space Shuttle geflogen wäre.

Abbildung 30 zeigt einige Entscheidungsträger vom DLR und Astrium um ein ROBUS-Modell. Wir hatten gar eine direkte Kooperation mit dem SPARTAN-Träger der NASA. Aber der umgebaute Astrospas von MBB/Erno hat uns damals diesen Spaß verdorben. Daher der Name?

Es war für mich eine aufregende - um nicht zu sagen - eine unwiederbringliche Zeit. So viele „First" und so viele abenteuerliche Wissenschaftsmissionen wird es voraussichtlich schon allein wegen zunehmender Geldknappheit so schnell nicht mehr geben. Dabei mag ich kein Senkrechtstarter mit Kondensstreifen gewesen sein, aber ich bin schlicht dankbar, dass ich diese außerordentlich spannende Zeit in Gottes Werkstatt erleben und teilweise mitgestalten durfte. Ich freue mich, Teil dieses größten Abenteuers menschlichen Geistes gewesen zu sein.

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Abbildung 7b

Abbildung 28a und 28b: Nach einem erfolgreichen Start am 6. April 1984 ist die Long Duration Exposure Facility LDEF mit unserem Experiment zur chemischen und isotopischen Untersuchung interplanetarer Staubteilchen an Bord im Weltraum. Unmittelbar danach hat sie der Haken des Space Shuttle Manipulators freigegeben.
Credit: NASA (zwei Bilder)

 

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Abbildung 29a und 29b: LDEF befindet sich am Ende seiner Freiflugphase: Das Space Shuttle nähert sich dem LDEF-Satelliten. Die Rückführung von LDEF wurde verzögert, nicht zuletzt durch die Explosion des Space Shuttle „Challenger“ und wurde wenige Wochen vor ihrem Wiedereintritt in die Erdatmosphäre im Januar 1990 zur Erde zurück gebracht. Die Auswertung der gesammelten interplanetaren Staubteilchen erfolgte im Wesentlichen über sogenannte SIMS-Analysen (Secondary Ion Mass Spectroscopy). 
Credit: NASA (zwei Bilder)

 

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Abbildung 30: Wissenschaftler von der Universität Tübingen zusammen mit Entscheidungsträgern vom DLR und Astrium zusammen mit einem Modell des Teleskopträgers ROBUS
Credit: Dornier System GmbH

Meine Verbindung zu Pluto

Nie zuvor freuten sich so viele darauf, etwas knapp zu verpassen wie bei der „New-Horizons - Mission“: Am 14. Juli 2015 raste die NASA-Sonde mit rund 50 000 Kilometern pro Stunde nach fünf Milliarden Kilometer Reise in etwa 28 800 Kilometer Distanz an Pluto vorbei.

Mit dieser Weltraummission „New Horizons“ verbindet mich ein Mann, dessen Asche sie trägt und die möglicherweise die ersten sterblichen Überreste eines Menschen sind, die unser Sonnensystem verlassen werden. Noch im August 1987 hatte ich das Vergnügen, mit Clyde Tombaugh von Flagstaff aus Beobachtungen an Jupiter durchzuführen.

Hintergrund. Man muss meine Geschichte ein bisschen kennen, um die Begeisterung über erste, gestochen scharfe Bilder von Pluto erstmals zu sehen:

  1. Es soll Sterngucker geben, die Pluto mit ihrem Teleskop fotografierten. Mir ist das nicht gelungen.
  2. Lange Zeit habe ich aber die Entwicklung der Faint Object Camera FOC als europäischen Beitrag zum Hubble-Weltraumteleskop als Science Programme Manager begleitet. Es war sicher ein Höhepunkt jener Mission, als erstmals Pluto deutlich von Charon räumlich getrennt werden konnte, während er bislang eine unscharfe „Ausbeulung“ am Pluto war. Abbildung 31 zeigt den Fortschritt durch die FOC, was 60 Jahre nach seiner Entdeckung möglich war.

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 Abbildung 31: Vergleich des besten bodengestützten Bildes mit dem Bild, wie es das Hubble-Weltraumteleskop mit der europäischen Faint Object Camera am 4. Oktober 1990 möglich machte

Copyright: ESA/NASA

Entdeckung. Vor über 85 Jahren nahm Clyde Tombaugh einen Job am Lowell-Observatorium in Flagstaff, Arizona, an, um einem Objekt nachzuspüren, das man für Neptuns Bahn verantwortlich machte. Flagstaff war das Epizentrum der Planet-X - Suche. Es galt, die berühmte „Stecknadel im Heuhafen“ auf einer der vielen Fotoplattenaufnahmen zu finden. Und tatsächlich - er fand sie am 18. Februar 1930 in Form vom Planeten-X, dem damals neunten Planeten in unserem Sonnensystem. 

Nach wochenlangen „Bestätigungsbeobachtungen“ hat das Lowell-Observatorium am 13. März die Entdeckung bekannt gegeben; es war gleichzeitig der 75. Geburtstag von Lowell (was er allerdings nicht mehr erlebte; er starb 1916, ohne zu wissen, ob es den Planet-X gäbe).

Bereits in seinem früheren Leben als Farmersohn aus Kansas war Clyde Tombaugh nur dann zufrieden, wenn die Reihen von Getreide und Mais so eng und akkurat wie möglich ausgeführt waren. Genau diese Pingeligkeit war ihm hier hilfreich. Er hat bei seinem Studium der Fotoplatten mit einem Blinkkomparator „nebenher“ rund 29 500 Galaxien ausgemacht, rund 775 neue Asteroiden entdeckt und mindestens einen Kometen. 

Der Planet-X sollte verantwortlich sein für die Bahn des Neptun. Allerdings war er dafür schon immer kleiner, als man erwartet hatte - bis er schließlich 2006 zum Zweigplaneten degradierte.

Namensgebung. Bekanntermaßen war es ein kleines Mädchen aus Großbritannien, das den Namen Pluto (= Gott der Unterwelt) vorschlug. Neben einer Begründung aus der Mythologie mag auch geholfen haben, dass dieser Name die Initialen von Percival Lowell, dem „Erfinder“ der Marskanäle und dem Erbauer des Observatoriums in Flagstaff enthielt.

Zwergplanet. Diese Degradierung erfolgte nicht nur wegen der Größe von Pluto, denn in seiner Umgebung gibt es eine ganze Menge solcher Körper, die meist noch auf ihre Entdeckung warten. Die Rede ist vom Kuipergürtel, der gerne auch die „Rumpelkammer unsere Planetensystems“ genannt wird. Auch Rosettas Komet Tschurjumow-Gerassimenko soll aus dieser Population stammen.

  • Clyde Tombough entdeckt den neuen Planeten18.02.1930
  • Gemeinsame Beobachtung von Jupiter am
    Lowell Observatorium in Flagstaff; s. Abbildung 32
  • Clyde Tomboughs Todestag 17.01.1997
  • Start der Sonde 19.02.2006
  • Pluto wird Zwergplanet 24.08.2006
  • Naher Vorbeiflug an Pluto 14.07.2015

Neben zahlreichen wissenschaftlichen Instrumenten trägt die Sonde ein kleine Kapsel mit Clyde Tombaughs Asche. Es wäre zwar angemessen gewesen, diese auf Pluto abzuwerfen, aber die Sonde hat kein großes Abbremstriebwerk und der Treibstoffbedarf wäre zu hoch gewesen. Sie wird aber immerhin mit Plutonium als Energiequelle versorgt, einem Isotop, das von Pluto seinen Namen hat.

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Abbildung 32: Teil des Gruppenbildes der Konferenz am Lowell Observatorium in Flagstaff mit Clyde Tombaugh und seiner Tochter in der vordersten Reihe. Wir machten zuvor noch gemeinsame Beobachtungen am Jupiter

Man mag meinen Frust verstehen: Ich war stolz darauf noch einen Planetenentdecker persönlich gekannt zu haben. Nun ist er gestorben und eine kleine Kapsel seiner Asche ist gerade sechs Monate im Weltraum unterwegs zu Pluto, als dieser zu einem Zweigplaneten degradiert wurde.

Dennoch war es „a once in a lifetime“ Pluto so nahe zu sehen, wie es „New Horizons“ uns im Juli 2015 vorgeführt hat; s. Abbildung 33. Dieses Bild birgt allerdings mehr Rätsel als Berge! Jedenfalls sind wir jetzt überall im unserem Planetensystem zu Hause! Das muss genügen.

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Abbildung 33: Detail der Pluto-Oberfläche mit seinen mehr als 3 000 m hohen, teilweise pyramidenförmigen Eisbergen

Copyright: NASA

 

 

Ein Blick in den Mikrokosmos

Faszination auf allen Skalen

Die Schöpfung ist eine einzige Faszination auf allen Skalen! Diese Erkenntnis war für mich nicht neu, zumal sich daraus auch mein beruflicher Werdegang ergab. Aber es darf immer wieder neu entdeckt werden, zumal in diesem Fall mit einfachen Mitteln. Weltraumreisen von meinem Garten aus zu machen ist einfach nur abenteuerlich - und genial! Aber eben auch das Abtauchen in den Mikrokosmos - was zudem deutlich einfacher ist.

Ob es das Fleckenfell eines Leoparden, die Spiralform einer Schnecke oder die filigranen Sechsecke von Schneeflocken sind: In der belebten und in der unbelebten Natur finden sich zahllose, scheinbar perfekt gestaltete Formen und Muster. Dabei stößt man in verschiedenen Diemensionen auf ähnliche Designs. Die Spirale ist nicht nur bei den Weichtieren beliebt, sondern formt auch junge Farnwedel und lässt sich als Spiralgalaxie tausendfach am Nachthimmel beobachten.

Es kommt einer neuen Erfahrung gleich, wenn man - im Gegensatz zur Astrofotografie - das Beobachtungsobjekt manipulieren, ihm durch Änderung der Beleuchtung mehr Tiefe geben kann ... Für einen Astrofotografen eine immense Erleichterung! Gleichzeitig wird die Beobachtung bequem vom Arbeitszimmer aus betrieben - unabhängig von der Tageszeit, Wind und Wetter.

So war der Himmel wieder mal war grau. Über lange Zeit. Und wenn er frei war, dann schien der Mond oder der Wind rüttelte an meinem Teleskop. Für einen, der gerne das Ungewöhnliche sichtbar macht, eine echte Durststrecke.

Da wurde die Idee geboren, mein Lichtmikroskop aus meiner Studentenzeit zu aktivieren, es in ein Polarisations-Mikroskop umzubauen, um mich zur Abwechslung wieder mal der "Welt unterm Mikroskop" zuzuwenden. Und erneut kam das Staunen zurück.

Kaum zu glauben. Ich nahm die Gelegenheit wahr, zwei meiner schönsten Bilder - jeweils aus dem Weltraum und dem Mikroskosmos - auf Leinwand zu bannen: 

- Messier-Nebel M42 im Sternbild Orion (Schwertgehänge) --> siehe "Nightviews" "3. Deep Sky - Objekte"
- Kristall eines Grauburgunder Rheinhessen 2014 --> siehe "Projekte" Abb. 3

Ersteres entstand mit Hilfe meines Selbstbau-Newton - Teleskops, das Weinkristall mit dem aufgehübschten studentischen Mikroskop von Karstadt. Nun stehen zwei Bilder im gleichen Format von 60 cm x 40 cm in meinem Arbeitszimmer nebeneinander, während zwischen der wahren Größe ihrer Objekte ein Faktor 10E20 liegt - eine Eins mit 20 Nullen - aufgenommen mit Mitteln, die ein gestandener Haushalt hergibt ...

 

1. Auf den Wein gekommen: Die dritte Dimension des Weines

Im Wein liegen nicht nur Genuss und Gaumenfreuden, sondern Schönheit. Atemberaubend und umwerfend: Man bringe nur einen Tropfen seines Lieblingweines auf einen Objektträger, lasse die Flüssigkeit verdunsten. Zurück bleiben - meist mehrfachbrechende - Kristalle, die sich in einer unglaublichen Formenvielfalt  und außerordentlicher Schönheit im Polarisationsmikroskop zeigen: Jedes eine Goldschmiede-Designer-Vorlage! Es ist die schiere Erfindungslust eines gewissen Grundmusters, vervielfältigt in tausend Varianten. Einfach zierlich genaue kleine Kostbarkeiten.  

 IMG 7012 Weinkristall

 Abbildung 1: Das Übersichtsbild von einem Tropfen "Ortenauer Rosè  2015er, Sommerwein (trocken)" zeigt bereits die Formenvielfalt und die Schönheit des Weines. Kantenlänge des Bildes: ca. 0,3 mm.

 

IMG 7058 Weinkristall

 Abbildung 2: Vergrößerung eines einzelnen Kristalls. Kantenlänge des Bildes: ca. 0,1 mm

 

Ganz anders als diese schiffsrumpfähnlichen Strukturen sind Kristalle z. B. aus dem "Grauburgunder Rheinhessen 2014". Da gibt es komplexe Kristalle, wie in Abbildung 3 gezeigt.     

 

 KristallstrukturGrauburgunderRheinhessen2014

 Abbildung 3: Blick in die Kristall-Wunderwelt eines "Grauburgunder Rheinhessen 2014"

 

Im letzten Tropfen eines "Schwaigener Trollinger mit Lemberger 2015" entdeckte ich ein deutlich symmetrisches Kreuz mit zentraler Binde, wie in Abbildung 4 gezeigt.

 SchwaigenerTrollingerLemberger2015

 Abbildung 4: Beispiel eines symmetrischen Kristalls eines "Schwaigener Trollinger mit Lemberger 2015"

 

Idee für eine Weinprobe: Eine naheliegende Anwendung des bisher Geschilderten ist eine Weinprobe: Man steht in fröhlicher Runde zusammen - ist in der Zwischenzeit vielleicht schon ein bisschen angesäuselt - kann gerne von einem der besten (teuersten) Weine eine kleine Probe auf einen Objektträger meines Mikroskops gegeben werden. Während die Gesellschaft genüsslich sich an dem Wein ergötzt, kann die genommene Probe erwärmt werden. Der Vorgang der Verdampfung der Flüssigkeit wird simultan auf einem Bildschirm gezeigt. Die Ausprägung der Kristalle geht Hand in Hand: Da sucht sich also ein Schlückchen besten Weins seinen Weg durch die Kehlen der Gäste, erfreut sie mit einem guten Geschmack; gleichzeitig kann die Schönheit des Weines auf dem Bildschirm gezeigt werden. Geht noch mehr?!

 

2. Wenn die Sterne vom Himmel fallen ...

Da muss man schon auf den Winter warten. Der ist also auch für die Beobachtung im Mikroskopischen gut: Wir erwarten einen kalten Tag, an dem sich die Sonne durch den anfänglichen Hochnebel im Bodenseekessel kämpft. Erstaunlicherweise kannn gerade dann beobachtet werden, dass Sterne aus heiterem Himmel fallen!

Seit Stunden ist mein Binokular zum Abkühlen im Freien auf der Terrasse aufgestellt und kleine Streifen schwarzer Velour-Tapete auf dem Schnee im Rasen ausgelegt. Wichtig ist, dass mein Arbeitsplatz nicht von der Sonne erreicht wird. Warme Kleidung hilft bei dieser Arbeit, denn ein Frierender beobachtet nicht gut - es sei denn, er ist Astrofotograf; da muss es kalt sein!

Meine Canon G12 ist so auf dem Stativ montiert, dass sie genau ins Okular meines Binokulars schaut. Ich arbeite beim in Abbildung 5 gezeigten Bild im manuellen Betrieb, in diesem Fall mit 1/20 s und weitgehend offener Blende. Wegen der Flüchtigkeit meiner Objekte ist schnelles Arbeiten angesagt, aber das hilft ja bekanntlich auch gegen Kälte :-)! Meine warmen Hände halte ich auf Distanz zum Objekt und auch das Atmen wird - weitgehend - eingestellt. Beleuchtung war in unten stehendem Fall einfach das Tageslicht.

Die Sechsecke von Schneeflocken ergeben sich aus der Kristallstruktur von Eis. Darin sind die Wassermoleküle in hexagonalen Ringen erstarrt, was die Wachstumsrichtung der Ärmchen lenkt. Dass trotzdem kein Kristall dem anderen gleicht liegt daran, dass das System schon auf minimale Veränderung der Lufttemperatur und -feuchtigkeit reagiert. Es scheint, als wolle uns der Schöpfer mit endlosen Variationen von seiner Kreativität überzeugen, weshalb die Natur schöner ist als nötig.

 

 SchneekristalI IMG 0800

Abbildung 5: Winter im Detail: Mein erstes dokumentiertes, sternförmiges Schneekristall unterm Binokular

 

Video: Glaube und Wissenschaft

Video: Staunen über das Universum

Video: Rosetta Mission