Meine Verbindung zu Pluto
Nie zuvor freuten sich so viele darauf, etwas knapp zu verpassen wie bei der „New-Horizons - Mission“: Am 14. Juli 2015 raste die NASA-Sonde mit rund 50 000 Kilometern pro Stunde nach fünf Milliarden Kilometer Reise in etwa 28 800 Kilometer Distanz an Pluto vorbei.
Mit dieser Weltraummission „New Horizons“ verbindet mich ein Mann, dessen Asche sie trägt und die möglicherweise die ersten sterblichen Überreste eines Menschen sind, die unser Sonnensystem verlassen werden. Noch im August 1987 hatte ich das Vergnügen, mit Clyde Tombaugh von Flagstaff aus Beobachtungen an Jupiter durchzuführen.
Hintergrund. Man muss meine Geschichte ein bisschen kennen, um die Begeisterung über erste, gestochen scharfe Bilder von Pluto erstmals zu sehen:
- Es soll Sterngucker geben, die Pluto mit ihrem Teleskop fotografierten. Mir ist das nicht gelungen.
- Lange Zeit habe ich aber die Entwicklung der Faint Object Camera FOC als europäischen Beitrag zum Hubble-Weltraumteleskop als Science Programme Manager begleitet. Es war sicher ein Höhepunkt jener Mission, als erstmals Pluto deutlich von Charon räumlich getrennt werden konnte, während er bislang eine unscharfe „Ausbeulung“ am Pluto war. Abbildung 31 zeigt den Fortschritt durch die FOC, was 60 Jahre nach seiner Entdeckung möglich war.
Abbildung 31: Vergleich des besten bodengestützten Bildes mit dem Bild, wie es das Hubble-Weltraumteleskop mit der europäischen Faint Object Camera am 4. Oktober 1990 möglich machte
Copyright: ESA/NASA
Entdeckung. Vor über 85 Jahren nahm Clyde Tombaugh einen Job am Lowell-Observatorium in Flagstaff, Arizona, an, um einem Objekt nachzuspüren, das man für Neptuns Bahn verantwortlich machte. Flagstaff war das Epizentrum der Planet-X - Suche. Es galt, die berühmte „Stecknadel im Heuhafen“ auf einer der vielen Fotoplattenaufnahmen zu finden. Und tatsächlich - er fand sie am 18. Februar 1930 in Form vom Planeten-X, dem damals neunten Planeten in unserem Sonnensystem.
Nach wochenlangen „Bestätigungsbeobachtungen“ hat das Lowell-Observatorium am 13. März die Entdeckung bekannt gegeben; es war gleichzeitig der 75. Geburtstag von Lowell (was er allerdings nicht mehr erlebte; er starb 1916, ohne zu wissen, ob es den Planet-X gäbe).
Bereits in seinem früheren Leben als Farmersohn aus Kansas war Clyde Tombaugh nur dann zufrieden, wenn die Reihen von Getreide und Mais so eng und akkurat wie möglich ausgeführt waren. Genau diese Pingeligkeit war ihm hier hilfreich. Er hat bei seinem Studium der Fotoplatten mit einem Blinkkomparator „nebenher“ rund 29 500 Galaxien ausgemacht, rund 775 neue Asteroiden entdeckt und mindestens einen Kometen.
Der Planet-X sollte verantwortlich sein für die Bahn des Neptun. Allerdings war er dafür schon immer kleiner, als man erwartet hatte - bis er schließlich 2006 zum Zweigplaneten degradierte.
Namensgebung. Bekanntermaßen war es ein kleines Mädchen aus Großbritannien, das den Namen Pluto (= Gott der Unterwelt) vorschlug. Neben einer Begründung aus der Mythologie mag auch geholfen haben, dass dieser Name die Initialen von Percival Lowell, dem „Erfinder“ der Marskanäle und dem Erbauer des Observatoriums in Flagstaff enthielt.
Zwergplanet. Diese Degradierung erfolgte nicht nur wegen der Größe von Pluto, denn in seiner Umgebung gibt es eine ganze Menge solcher Körper, die meist noch auf ihre Entdeckung warten. Die Rede ist vom Kuipergürtel, der gerne auch die „Rumpelkammer unsere Planetensystems“ genannt wird. Auch Rosettas Komet Tschurjumow-Gerassimenko soll aus dieser Population stammen.
- Clyde Tombough entdeckt den neuen Planeten18.02.1930
- Gemeinsame Beobachtung von Jupiter am
Lowell Observatorium in Flagstaff; s. Abbildung 32 - Clyde Tomboughs Todestag 17.01.1997
- Start der Sonde 19.02.2006
- Pluto wird Zwergplanet 24.08.2006
- Naher Vorbeiflug an Pluto 14.07.2015
Neben zahlreichen wissenschaftlichen Instrumenten trägt die Sonde ein kleine Kapsel mit Clyde Tombaughs Asche. Es wäre zwar angemessen gewesen, diese auf Pluto abzuwerfen, aber die Sonde hat kein großes Abbremstriebwerk und der Treibstoffbedarf wäre zu hoch gewesen. Sie wird aber immerhin mit Plutonium als Energiequelle versorgt, einem Isotop, das von Pluto seinen Namen hat.
Abbildung 32: Teil des Gruppenbildes der Konferenz am Lowell Observatorium in Flagstaff mit Clyde Tombaugh und seiner Tochter in der vordersten Reihe. Wir machten zuvor noch gemeinsame Beobachtungen am Jupiter
Man mag meinen Frust verstehen: Ich war stolz darauf noch einen Planetenentdecker persönlich gekannt zu haben. Nun ist er gestorben und eine kleine Kapsel seiner Asche ist gerade sechs Monate im Weltraum unterwegs zu Pluto, als dieser zu einem Zweigplaneten degradiert wurde.
Dennoch war es „a once in a lifetime“ Pluto so nahe zu sehen, wie es „New Horizons“ uns im Juli 2015 vorgeführt hat; s. Abbildung 33. Dieses Bild birgt allerdings mehr Rätsel als Berge! Jedenfalls sind wir jetzt überall im unserem Planetensystem zu Hause! Das muss genügen.
Abbildung 33: Detail der Pluto-Oberfläche mit seinen mehr als 3 000 m hohen, teilweise pyramidenförmigen Eisbergen
Copyright: NASA